Weltweit werden mehrere Millionen Kinder zu sexuellen Zwecken missbraucht, auch im Bereich des Sextourismus. Meist denkt man dabei an die einschlägigen Länder, aus denen regelmäßig darüber berichtet wird. Touristen – auch aus Deutschland – reisen dorthin, um ihren pädophilen Neigungen an Kindern nachzugehen. Experten bestätigen aber, dass dies nicht ohne Wirkung auf unserer Gesellschaft ist. Denn wer im Ausland einige Wochen lang Kinder missbraucht, hat mit hoher Wahrscheinlichkeit die Hemmschwelle überschritten, es auch außerhalb der Urlaubszeit in Deutschland zu tun.

 

Sextourismus hier

Nur wenigen ist bekannt, dass auch in jeder größeren Stadt Kinder und Jugendliche für sexuelle Zwecke angeboten werden – also auch direkt hier vor Ort. Loverboys machen Jagd auf Teenager und zwingen sie zur Prostitution. Wo immer sich eine große Anzahl von Menschen über einen gewissen Zeitpunkt hinweg aufhalten, suchen auch die besonderen Ausprägungen in der Sexualität ihre Opfer. Oft geht es dabei um eine Vorliebe für junge Mädchen und Jungen. Und wo sich ein Bedarf zeigt, ist das Angebot leider nicht fern.

Ein weiterer Aspekt ist zu beachten. Internationale Studien gehen davon aus, dass bei etwa 1 % aller erwachsenen Männer eine primärpädophile Ausrichtung vorliegt. Beachtet man gleichzeitig, dass allein bei der DRUPA in Düsseldorf innerhalb der wenigen Wochen 230.000 Menschen – vorwiegend Männer – in Düsseldorf und Umgebung übernachten, macht das Angst.

Ev. Kirchentag Bremen, 2009

 

Missbrauch in unserer Gesellschaft

Sexuelle Gewalt und die Angst davor ist ein ständiger Begleiter der Jugendlichen. Schon früh müssen Kinder darauf hingewiesen werden, dass sie vorsichtig sein müssen. Der fremde Mann steht immer noch als Synonym für ein Schreckgespenst, das die Eltern begleitet, wenn ihre Kinder draußen sind. Das lenkt natürlich davon ab, dass die größeren Gefahren oft im häuslichen und im vertrauten Umfeld lauern.

Es sind Familienmitglieder und Vertrauenspersonen, die einen besonderen Zugang zu Kindern haben und diesen ausnutzen.

Die Medien spiegeln den Umgang mit sexueller Gewalt, wie ihn die Mehrheit der Gesellschaft pflegt: Passiert etwas, ist die Aufregung groß und der Ruf nach harten Strafen wird laut. Nach wenigen Wochen ist alles beim Alten. Andererseits sind es gerade die Medien, die kaum eine Möglichkeit auslassen, sexualisierte Gewalt in Sendungen und Filmen zu transportieren.

 

Ergebene Haltung

Merkwürdig ist, dass die Gefährdung von Kindern von der Gesellschaft als gegeben hingenommen wird. Es werden Kinder trainiert, stark zu werden und aufzupassen – die Gesellschaft bleibt schwach und schaut weiterhin weg. Wäre das anders, würden sich gesellschaftliche Umgangsformen herausbilden, die sexualisierte Gewalt ächten und damit langfristig verhindern.

Dass sich das in unserer demokratischen Gesellschaft nicht entwickelt hat, ist nicht zu verstehen. Es scheint an dem mangelnden Willen Aller zu liegen, sich ernsthaft für die Belange der Kinder und Jugendlichen einzusetzen. Hier muss ein neues Nachdenken über die Umsetzung von Kinder- und Menschenrechten, über eine notwendige Veränderung der Gesellschaft entstehen.

Viele Jugendlichen nehmen, von den Erwachsenen entsprechend geprägt, sexualisierte Gewalt als gegeben hin. Mädchen bekommen früh Sprüche und Angebote zu hören. Sie werden in Situationen gelockt, die gefährlich sind. Die gierig-prüfenden Blicke der Männer sind allgegenwärtig. Jungs lernen ebenso früh von Erwachsenen deren Sicht, wie mit Mädchen umzugehen ist.

Ist dieses Bild zu schwarz gezeichnet? Wir haben diese Frage in unsere Workshops einfließen lassen, als Rechercheaufgabe.

 

Dialogprojekt „Mauer des Sprechens“

Mit einem Dialogprojekt wollen wir die Stimmung zwischen den Menschen verändern. Die von sexueller Gewalt betroffenen oder gefährdeten Jungen und Mädchen sollen gestärkt werden, die betroffenen oder gefährdeten Erwachsenen sollen nachdenklich und aufgerüttelt werden.

Die „Mauer des Sprechens“ ist ein Dialogprojekt, das weit über die kurzsichtigen Beschuldigungen hinausgeht und gleichzeitig die Schutzmauern der Erwachsenen durchbricht. Wir haben viele ergreifende Reaktionen erlebt, die von der Not der Opfer und den Ängsten der Täter zeugten.

Auf gedruckten Mauersteinen aus Papier (A5) schreiben Menschen Botschaften, Forderungen und Gedanken rund um das Thema sexualisierte Gewalt. Diese Mauersteine werden auf eine lange Papierbahn geklebt und fügen sich so zu einer Mauer zusammen, die eine starke Wirkung erzeugt.

Die Erfahrungen damit waren außergewöhnlich. Besonders die Jugendlichen reagierten auf die Möglichkeit, das Tabuthema auf diese stille Art anzugehen, mit großer Anteilnahme.

In den Schulen haben die Jugendlichen sich sehr aktiv mit dem Thema Sexualisierte Gewalt beschäftigt. Ein Beispiel-Workshop finden Sie hier

Wie haben sie langsam daran geführt… über den Roman „Verkauft“, in dem sehr eindringlich der Kampf eines Mädchens in Nepal beschrieben wird, aus der Hölle eines Bordells zu entfliehen. Die Jugendlichen leiden mit und entwickeln eine eigene Haltung zum Thema Gewalt, gerade in der Sexualität.

 

 

Gestartet haben wir das Dialog-Projekt aber auf dem Evangelischen Kirchentag in Bremen. Das war 2009, also vor den großen Skandalen, die immer noch unsere Republik erschüttern. Die Menschen haben dankbar die Möglichkeit aufgenommen, sich zu äußern, die Steine der anderen zu lesen und miteinander zu diskutieren. Ganze Trauben von Menschen bildeten sich. Fremde Menschen liefen diskutierend weiter, kamen nicht mehr von einander und vom Thema los. Jung und Alt kamen ins Gespräch. Die vielen Berührungsängste verschwanden.